Handschriftliches Testament – Erbschafts-Bingo

(Erben & Vererben – Struktur statt Abrissbirne)

Eine Erblasserin erstellte handschriftlich ein Testament, in dem sie ihren beweglichen Hausrat und alle Gegenstände Tochter T1 zuwies, während Töchter T2 und T3 spezifische Gegenstände erhalten sollten. Sie verfügte im Übrigen: „Zu erben ist nichts mehr.“

Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung war kein weiteres Vermögen vorhanden. Ihren Grundbesitz hatte sie bereits auf T1 übertragen.

Zwischen 2018 und 2020 erhielt T1 Vollmachten für sämtliche Konten der Erblasserin. Beim Ableben der Erblasserin war zwischenzeitlich Geldvermögen von fast 40.000,00 € vorhanden. T1 beantragte einen Allein-Erbschein, da T2und T3 nur bestimmte Gegenstände als Vermächtnis zugewandt worden seien. T2 widersprach und berief sich auf die gesetzliche Erbfolge, da im Testament die T1 nicht ausdrücklich zur Erbin bestimmt worden sei.

Das Nachlassgericht stimmte zunächst T2 zu, da die Formulierung „Zu erben ist nichts mehr“ suggeriere, dass keine Änderung der gesetzlichen Erbfolge beabsichtigt war.

T1 legte Beschwerde ein und das OLG Brandenburg gab ihr Recht.
(Beschluss vom 29.3.23, 3 W 19/23). Es vertrat die Auffassung, dass T1 als Alleinerbin eingesetzt wurde. Obwohl das Testament keine klare Erbeinsetzung für T1 enthielt, solle „der wahre Wille der Erblasserin“ Vorrang haben. Das Testament sei im Kontext und unter Berücksichtigung aller Umstände zu interpretieren. Der Umstand, dass T1 nahezu das gesamte Vermögen zugewandt worden sei, lasse darauf schließen, dass die Erblasserin sie zur Alleinerbin bestimmen wollte.

Glücklich für T1, aber keineswegs zwingend. Die Auslegung nicht klar formulierter Testamente ist für die Beteiligten ein u.U. teures Glücksspiel. Wer Klarheit schaffen will, errichtet ein notarielles Testament oder lässt sich zumindest erbrechtlich beraten. Spätestens nach einer gerichtlichen Erbauseinandersetzung bleibt nur verbrannte Erde.