Pflichtteilsauseinandersetzung: Zwischen Balanceakt und Sprengfalle?

(Erben & Vererben -Struktur statt Abrissbirne))

Spätestens wenn der erste Pflichtteilsberechtigte sich meldet – der Beerdigungskaffee ist ein gern gewählter Zeitpunkt – weht ein eisiger Wind durch die fragile Familienidylle. Es wird hochemotional. Dann treffen sie aufeinander:

• Der Prinzipientreue
besteht auf jedem Cent, schließlich ist das Recht eindeutig! „Was mir zusteht, steht mir zu“ – und das gern mit Nachdruck, gesammelten Urteilen im Gepäck und der Haltung eines Oberlehrers. „Das müsst ihr doch einsehen…“

• Der Harmonisierer
will bloß keinen Ärger und würde am liebsten verzichten – nur damit es keinen großen Krach gibt. Versucht zu vermitteln, verliert dabei mitunter selbst den Faden und findet Stuhlkreise extrem hilfreich. Lösungsorientierung hält er eher für überbewertet.

• Der Verletzte
sieht in jedem Pflichtteilsverlangen eine persönliche Kränkung und sucht die Schuld für alles in der Vergangenheit. Jede Zahl wird zur emotionalen Verhandlungsmasse. Dabei geht‘s nicht wirklich um‘s Geld, dass natürlich gern reichlich fließen darf. Kompensation für alle Ungerechtigkeit dieser Welt, insbesondere wenn man die eigenen PS nie auf die Straße gekriegt hat, ist hier das Leitmotiv.

• Der Stratege
sucht nach jedem rechtlichen Hebel, nach steuerlichen Vorteilen oder Auslegungsmöglichkeiten. Instrumentalisiert jeden, der seiner Perspektive dienlich ist. Emotionen? Nur, wenn’s den eigenen Interessen dient.

• Das Phantom
bleibt zunächst unsichtbar, reagiert spät und oft überraschend. Taucht aber gern spontan mit neuen Forderungen auf, wenn sich gerade Lösungen zu entwickeln scheinen.

Der Pflichtteil mag juristisch einfach erscheinen – menschlich ist er oft ein Minenfeld. Wer jahrelange Auseinandersetzungen vermeiden will, muss sich bereits bei der Nachlassplanung damit auseinandersetzen, auch wenn es nur begrenzt Freude macht, dem unerwünschten Erben etwas zuzuwenden.